Nachdem wir uns unterwegs noch ein paar Stunden in Florenz "ein Auge
geholt" haben, erreichen wir am 16.Juli 2000 nachmittags den Hafen von
Livorno. Das Ticket für die Autofähre ist schnell besorgt (für PKW also trotz
Hauptreisezeit kein Problem). Auf dem Hafenparkplatz kann man im Auto übernachten
und die sanitären Anlagen des Gebäudes nutzen. Nach der morgendlichen Überfahrt
nach Bastia bleibt noch genügend Zeit, um zum Einstiegsort Calenzana zu
gelangen, das Zelt an der Gite d'étape aufzustellen und einen Bummel durch die
Altstadt des nahegelegenen Calvi mit seiner Bastei zu unternehmen. Am nächsten
Morgen parken wir das Auto an der Kirche, damit es gut beschützt wird, und
steigen, begleitet von guten Wünschen einiger Dorfbewohner, in den GR 20
(Grande Route 20. Departement) ein.
Korsika besteht zu 90% aus Gebirge und wird deshalb auch als "Gebirge im
Meer" bezeichnet. Viele der Berge sind über 2000 Meter hoch, der höchste
ist der Monte Cinto mit 2706 m. Und über diese Ketten führt der Weg. Durch
Macchia (dorniges, teilweise mannshohes Gestrüpp), über Schotter und
Felsbrocken schleppen wir unser Gepäck, und das ist nicht zu knapp, denn außer
der Zeltausrüstung braucht man noch Verpflegung für gut zwei Wochen und
mindestens 2 Liter Wasser pro Tag und Person. Dazu sind die Wege nicht
so "verkehrsgünstig" hergerichtet wie in den Alpen. Gleich am ersten
Tag geht es 1300m hoch. Beim Aufstieg hat man, wie auch in den nächsten Tagen,
einen herrlichen Blick aufs Meer. Zelten ist nur an den PNRC-Hütten gestattet.
Diese sind in der Regel unbewirtschaftet, haben aber einen Gardien (zum
Kassieren und zur Ordnung). Andere Trekker, die schon vor uns durchgekommen
sind, haben freundlicherweise Standplätze gebaut, glatt und meist mit
Steinmauer. Der "Sanitärtrakt" besteht aus einem Hock-Clo, einer
Waschmöglichkeit, einer Dusche (kalt) und einer Propankocherstelle. Schlafen
kann man auch im Gemeinschaftsraum der Hütte, aber wer sicherheitshalber die
Zeltausrüstung mitschleppt, sucht sich natürlich einen der herrlichen
Aussichtsplätze im Freien aus. Wir haben verdientermaßen jeden Tag
Traumwetter, so dass es im leichten Lidl- Billigzelt kein Problem ist. Bei
schlechtem Wetter bleibt allemal die Hütte. Das Auf und Ab geht dann jeden Tag
so weiter. Da der Pfad aber so gelegt ist, dass er durch die schönsten
Gebirgsgegenden führt, gibt es als Lohn für die Plackerei auf jeder Etappe
viel Schönes zu bestaunen. Die Aussichten sind phantastisch.
Am dritten Tag rücken wir in Haut-Asco ein. Dort gibt es einen Laden. Die
Preise sind zwar kräftig, aber nach den ständigen Beutelsuppen-Menüs fühlen
wir uns wie im Paradies. Die vierte Etappe ist wieder relativ anstrengend.
Zuerst steigt man zum Col Perdu auf 2183m und dann geht es in den "Kessel
der Einsamkeit" 200m klettersteigmäßig abwärts und auf der Gegenseite
das Gleiche wieder hinauf. Aber am Nachmittag erreichen wir die bewirtschaftete
Bergerie de Ballone. Durch den Wanderführer angeregt, können wir es kaum
erwarten, an das Menü zu kommen. Dieses ist so reichlich, dass wir trotz kräftigen
Hungers Probleme haben, alles ´runter zu bekommen. Weil´s hier so schön ist,
bleiben wir gleich einen Tag da und nutzen die herrlichen Gumpen zum Badeurlaub.
Noch nie haben wir so klares Wasser auf unseren Touren gesehen. Es sind Bäche
angegeben, aus denen man trinken kann (und das auch verträgt). Am nächsten Tag
machen wir einen Ausflug ins höchstgelegene korsische Bergdorf Calasima
(absolutes Dorfereignis: die Ankunft des Brotautos). Unterwegs begegnen wir den
berühmt- berüchtigten korsischen Schweinen (wildlebende Kreuzung von Haus- und
Wildschwein). Diese sehen schön aus und sind friedlich. Man muss aber an
manchen Plätzen auf seine Esswaren aufpassen. Sie kommen nämlich ans Zelt und
"mausen". Wir trafen einige Trekker, denen diese Tiere das Zelt
zerrissen hatten, nur um ans Essen zu kommen.
Auch die nächsten Etappen bieten wieder herrliche Ausblicke auf wilde
Felslandschaft, wunderbare Bergseen und teilweise auf´s Meer, z.B. von der
Paglia Orba, dem "Matterhorn Korsikas" oder von der Breche de
Capitello. Auf der achten Etappe wählen wir den Weg über die Bergerie de Tolla
(eine Hütte, Unterkunft),
um uns wieder einmal ein Menü zu gönnen. Von diesem idyllischen Ort kann man
sich nur schwer losreißen .Das Ziel des Tages ist ein interessanter Platz. Da
sind die Menschen mit ihren Zelten eingezäunt und als Zuschauer umkreisen
Schweine, Kühe, Pferde und Hunde das Areal. Die Schweine natürlich wieder mit
eindeutiger Absicht. Deshalb ist es besonders wichtig, das Tor im Zaun zu schließen.
Wir hörten von einer Treibjagd, weil ein Schwein zwar hereinkam, aber absolut
nicht wieder hinauswollte.
Die neunte Etappe führt u.a. wieder an herrlichen Badegumpen und kleinen
Wasserfällen vorbei nach Conca, zum Ende des GR20-Nord. Durch diesen Ort führt
außer einer Straße noch die Ost-West-Trasse des "feurigen Elias",
einer Eisenbahn mit Vergnügungspark-charakter. Da der Platz zum Zelten neben
dem Bahnhof nicht unseren "verwöhnten" Ansprüchen entspricht (keine
Wasch- und Toilettenmöglichkeiten), fahren wir mit besagter Bahn nach Corte,
der ehemaligen Hauptstadt Korsikas. Die heutige Hauptstadt ist Ajaccio. Es geht an Berghängen entlang, über Brücken,
durch Tunnel oder in den Fels gesprengte Breschen, die gerade so breit sind,
dass der Zug durchpasst (Beim Fotografieren nicht aus dem Fenster lehnen !),
also interessant. Der Zeltplatz "Restonica" in Corte ist dicht
besiedelt, aber wir bleiben ja nur eine Nacht. Die Altstadt ist sehenswert,
wobei ein Tag zur Besichtigung ausreicht. In der Pizzeria auf dem Platz essen
wir die größte Pizza unseres Lebens. Am Nachbartisch versuchen sich vier Mann
an einer solchen, und wir denken: diese ist für vier, man wird ja auch Normalgrößen
haben. Irrtum. Und somit wird auf Vorrat gegessen bis zum Umfallen.
Nachdem wir am nächsten Vormittag beim Stadtbummel in einer ganz urigen
Weinhöhle hängen geblieben sind, geht es am Nachmittag wieder zurück zur
Strecke, denn am Morgen des 29.07. beginnt für uns der GR20-Süd. Die meisten
Trekker brechen hier ab, weil sie es satt oder zu wenig Urlaub haben. Wir sagen
uns: weil wir schon ´mal da sind, da bleiben wir auch hier, und auf geht es in
die zweite Runde. Jetzt sind die Berge nicht mehr ganz so spektakulär felsig,
aber die Landschaft ist auf andere Weise herrlich. Besonders beeindruckend sind
die Wälder. Korsika hat keine Forstwirtschaft, und so wachsen die Bäume, bis
sie absterben oder einem Feuer zum Opfer fallen. Deshalb werden die
Schwarzkiefern auch riesig mit Durchmessern bis zu 2,5m. Was umfällt, muss
umgangen oder überstiegen werden, bis es verfault. Das Bergauf-Bergab geht
trotzdem weiter. Eine Neun-Stunden-Tour führt uns auf der 13.Etappe über den höchsten
Berg Südkorsikas, den Incudine (2134m). Von hier aus haben wir eine herrliche
Aussicht auf die Südspitze Korsikas, das Meer und die Bavella, die
"Dolomiten Korsikas". Am nächsten Tag wählen wir die sogenannte
alpine Variante durch ebendiese Bavella mit ihren imposanten Felstürmen. Danach
folgt der Abstieg zum Col de Bavella. Über diesen führt eine Straße, so dass
er als Ausgangspunkt für Touren genutzt wird. An einem solchen Punkt gibt es
natürlich einen Laden und Gaststätten, in die es uns unwiderstehlich
hineinzieht. Bier- und anderweitig gestärkt, ist der Rest der Etappe kein
Problem mehr. Der Platz am Refugio Paliri ist ein Traum: Ansichtskartenmotive im
Rundumblick. Wir genießen es. Die 15.Etappe am 03.08. ist unsere letzte auf dem
GR 20. Es geht zwar noch durch interessantes Gebiet (z.B. ausgewaschene
Felsformationen), aber nun ständig bergab bis auf 300m. Und jetzt verstehen wir
auch, dass im Reiseführer von Hitze bis 40 °C geschrieben wird. Je tiefer wir
kommen, umso unerträglicher wird es. So ist es nur allzu verständlich, dass
unser erster Gang in Conca nicht dem Zeltplatz, sondern dem Getränkeladen gilt.
Dadurch verpassen wir zwar den Buszubringer nach ganz unten, können uns aber in
aller Ruhe am Abend ein Menü gönnen. Am nächsten Morgen bringt uns der
Zubringer nach St. Lucie zum Bus, mit dem es an der Ostküste entlang bis nach
Cassamozza, einem etwas unansehnlichen Ort geht.
Bis zur Weiterfahrt mit dem "feurigen Elias" quer durch das Land müssen
wir leider einige Stunden herumtrödeln, so dass wir erst ca. 20.30Uhr in der Nähe
unseres Ausgangsortes Calenzana sind. Ein Problem: zum Auto sind es 8 km, und um
diese Zeit fährt kein Bus mehr. Wir entscheiden uns für einen
"Abendspaziergang". Um diese Zeit und auf der Landstraße wahrlich
kein Vergnügen. Aber schon das zweite Auto stoppt und nimmt uns mit. Wir
merken: wir sind nicht in Deutschland. Unser PKW steht noch friedlich an der
Kirche. Geschlafen wird allerdings im Hotel "Sachsenruh´" in Calvi
auf einem Platz für solche Vagabunden wie uns, denn wir sind nicht die
einzigen. Der Urlaubsrest dient der passiven Erholung am schönen Strand von
Porto. Die Küstenstraße dahin ist sehr interessant. Leider muss sich der
Fahrer voll auf die Kurven und den Gegenverkehr konzentrieren. Auch die Rückfahrt
auf der Scala Regina hat wieder viel zu bieten. In Bastia schlafen wir natürlich
wieder auf dem Hafengelände. Die neuen Sanitäranlagen haben sogar Duschen. Wer
will, kann am nächsten Tag Pisa einen Besuch abstatten. Wir wollen und schlafen
mitten in der Stadt. Natürlich im Auto. Fazit: eine anstrengende Tour, aber
eine der schönsten, die wir je gemacht haben. Für Informationen stehen wir
gern zur Verfügung.