Auf dem GR 20 durch Korsika wandern

Allgemeines
Der GR 20 (franz.: Grande Randonnée 20) ist ein Fernwanderweg auf der französischen Insel Korsika. Der 220 Kilometer lange Weg verbindet die beiden korsischen Orte Calenzana und Conca quer über das korsische Hochgebirge. Er gilt als höchst anspruchsvoller Wanderweg, da er auf weiten Strecken durch alpines Gelände höher als 1.500 müM fernab von besiedeltem Gebiet verläuft. Es sind auch einige Kletterstellen zu überwinden. Der Weg kreuzt einige Passstrassen, etwa auf halber Strecke in Vizzavona besteht ein Anschluss an die Korsische Eisenbahn. Der Grossteil des Weges führt durch das Gebiet des korsischen Naturparks PNRC (Parc naturel régional de Corse).
Gut durchtrainierte Bergwanderer schaffen den gesamten GR 20 in etwa 15 Tagen, wobei nur etwa jeder vierte die Gesamtstrecke in einem Zuge durchwandert. Ein Abschnitt, der für weniger geübte Wanderer mit guter Ausrüstung in 5 bis 6 Tagen durchwandert werden kann, liegt zwischen dem Col de Bavella und dem Col de Verde. Dieser führt über den Monte Incudine. Im Norden überquert der GR 20 den Col de Vergio.

Der Weg sollte nur in der Saison von Mitte Juni bis Ende Oktober begangen werden, da nur in diesem Zeitraum sein Verlauf schnee- und eisfrei ist. Früher mussten sich die Wanderer für ihren Weg selbst mit Proviant versorgen, weil die abgelegene Lage der Berghütten für die Übernachtung nur eine eingeschränkte Versorgung mit Lebensmitteln (Wurst, Käse, Süssigkeiten) zuliess. Dies hat sich inzwischen (2006) verändert. Alle Hütten bieten Getränke sowie warme Mahlzeiten an. Sogar die bergeries (Schäfereien), die mehr oder weniger am Rand des GR 20 gelegen sind, bieten nun zum Teil Übernachtungsmöglichkeiten sowie Vollverpflegung an. Ab Ende September sind die Verpflegungsmöglichkeiten eingeschränkt, da die bergeries schliessen und auch manche Hütten nur noch eingeschränkt bewirtschaftet werden.

Das Kennzeichen des Weges sind ein weisser und ein roter Streifen, die auf Felsen und an Bäume in Augenhöhe aufgemalt sind. An anderen Stellen helfen Steinmännchen, den Weg im Auge zu behalten.

Startpunkt
Da der südliche Teil des GR 20 nicht so starke An- und Abstiege wie der alpine, nördliche Teil aufweist, entschlossen wir uns in Conca zu starten. Das Gelände ist dort relativ einfach und daher zum Einlaufen besser geeignet. Den Verlauf des GR 20 zeigt die Übersichtskarte.

Tourenverlauf
In der ersten Septemberwoche ging es in Conca los. Zunächst ging es auf einem schmalen Saumpfad bergauf durch dichten Buschwald, dann über die Bocca d'Uscioulu und weiter den Pinzantubach entlang. Auf dem ehemaligen Bergeriegelände Capellu schlugen wir unser erstes (wildes) Camp auf. Am ersten Tag wollten wir es ruhig angehen lassen, unsere Kondition war noch nicht die Allerbeste und die 20 Kilo Rucksäcke taten ihr übriges. Nach ruhiger Nacht in unserem kleinen Zelt ging es weiter über die Breche de Villaghello, durch wildes Bergland hinauf bis zur idyllischen Palirihütte. Wir hatten noch Kraft und marschierten weiter über die Foce Finosa durch uralten Kiefernwald, und erreichten Abends die Strasse am Col de Bavella. Die Verlockung war gross, das Restaurant Grimaldi lockte mit korsischen Spezialitäten. Also blieben wir und übernachteten in einem 6-Mann Zimmer. Grober Fehler! Wir machten kaum ein Auge zu, andere schnarchende Wanderer und ein dicker Mief in der Bude sorgten für wache Stunden. Mitten in der Nacht zogen wir aus und schliefen im Aufenthaltsraum weiter. In dieser Nacht beschlossen wir, nie wieder in einer der Hütten am GR 20 zu übernachten.

Am nächsten Morgen ging es vom Col de Bavella talwärts zum Donicelli Bach und dann wieder ansteigend durch Macchiagelände bis zum Pargulu Grat. Dort wendet sich der GR 20 nach Norden und steigt auf den folgenden 5 Kilometern kaum an. Durch Kiefernwald geht es weiter bis zum Bergeriegelände Asinao und dann nochmals im Anstieg bis auf 1600 Höhenmeter zur Refuge d'Asinao. Wir schlugen unser Zelt auf einem der vielen Biwakplätze auf (3,50 Euro die Nacht pro Person) und verbrachten eine schnarchfreie Nacht im Zelt.
Weiter ging es Tags darauf über ein steiles Kar und Felsplatten bis hinauf zum Gipfel des Monte Incudine auf 2134 Meter. Bei schönem Wetter hat man von dort einen phantastischen Blick auf die Felstürme der Bavella Gruppe. Nach dem Aufstieg folgte ein langer Abstieg, zunächst über offenes Gelände, später durch Buchenwald, vorbei an den Ruinen der Pedinielli Hütte bis zur Hängebrücke am Forcinchesi Bach, den wir im September auch ohne Brücke bequem und trockenen Fusses überqueren konnten. Für etwa einen Kilometer folgten wir einem einfachen Fahrweg und marschierten dann weiter über offenes Gelände bis zum d'Allucia Bach, an dem wir zelteten. Abends zog eine Gewitterfront über das Lager hinweg, aber am nächsten Morgen war wieder alles eitel Sonnenschein.

Durch weite Erlenfelder ging es am nächsten Tag weiter hinauf, zunächst bis zum Col de la Haute Route auf 2206 Meter, dann wieder im Abstieg, teilweise über grosse Felsblöcke hinweg bis auf 1990 Meter. Kaum waren wir am tiefsten Punkt angekommen, stand der nächste Anstieg über Felsplatten und Geröllrinnen auf dem Programm. Belohnt wurden wir durch einen phantastischen Blick auf den Lac de Melo und den Lac de Capitello. Kurz darauf erreichten wir mitten in den Wolken die Breche de Capitello, mit 2225 Metern der höchste Punkt des GR 20.
Der anschliessende Abstieg durchs Manganu Tal wurde von heftigem Regen begleitet. Über Wiesenterrassen und Felsriegel, die bei Nässe unangenehm abzusteigen sind, erreichten wir das Biwakgelände der Manganu Hütte. In der Nacht klarte es auf und am Morgen bedeckte eine dünne Eisschicht unser Zelt.
Die kommende Etappe von der Manganu Hütte zum Col de Verghio war eine der schönsten. Bei Sonnenschein marschierten wir über die weite Hochebene des oberen Tavignano Tals, erfreuten uns an Pferden, Macchiaschweinen und Schafen, die frei umherzogen. Der Lac de Nino empfing uns mit leuchtendem Tiefblau und einem warmen Lüftchen. Selbst der Aufstieg zur Bocca a Reta war harmlos. Bis zum Col San Pierre folgten wir dem Grat nach Westen, stiegen kurz vor dem U Tritore etwa hundert Meter ab und marschierten weiter durch Buchenwald bis zum Col San Pierre, an dem eine arg vom Wind gebeutelte Buche steht. Der Wind weht hier offensichtlich beständig stark aus westlicher Richtung. Weiter gings durch Buchenwald bis zum Castell de Verghio. Wir übernachteten in der Skistation und machten uns im Speisesaal der Station gierig über das Abendessen her.
Ohne Lagerabbau ging es am kommenden Morgen viel früher los. Wir folgte zunächst der Strasse bis wir an der Strassenkehre "Fer a Cheval" wieder auf den GR 20 stiessen. Nach kurzem Marsch erreichten wir an der Bergerie Radule den Einstieg in das Golo Tal. Von dort an ging es beständig aufwärts, über 670 Höhenmeter im Anstieg. Das Golotal, mit seiner dramatischen Felskulisse und den zahlreichen Gumpen die zum Baden oder Verweilen einladen, ist besonders schön. Nach drei Stunden Aufstieg waren wir auf 2000 Metern und campierten etwas abseits der Hütte Ciottulu di i Mori. Das Hüttengelände liegt genau am Fuss des Capu Tafunato und der Paglia Orba. Meine Frau Siglinde hatte bereits vor einigen Jahren die Paglia Orba bestiegen, so machten wir uns Abends noch auf, stiegen die Paglia etwas höher um einen Blick auf das Loch (30x12m) im Gipfelaufbau des gegenüber liegenden Capu Tafunato zu erhaschen. Am nächsten Tag führte die Route vom höchsten Lagerplatz des gesamten GR 20 hinunter, wieder über 620 Höhenmeter im Abstieg. Dann ging es weiter durch schattigen Kiefernwald, vorbei an der Bergerie Ballone und anschliessend durch offenes Gelände hinauf zur Tighiettu Hütte. Es war eine kurze Etappe, aber wir wollten es für die kommende Königsetappe ruhig angehen lassen.